1. Das Trinklied vom Jammer der Erde
Schon winkt der Wein im goldnen Pokale,
Doch trinkt noch nicht, erst sing ich euch ein Lied!
Das Lied vom Kummer soll auflachend
in die Seele euch klingen. Wenn der Kummer naht,
liegen wüst die Gärten der Seele,
Welkt hin und stirbt die Freude, der Gesang.
Dunkel ist das Leben, ist der Tod.
Dein Keller birgt des goldnen Weins die Fülle
Herr dieses Hauses!
Dein Keller birgt die Fülle des goldenen Weins!
Hier, diese lange Laute nenn’ ich mein!
Die Laute schlagen und die Gläser leeren,
Das sind die Dinge, die zusammen passen.
Ein voller Becher Weins zur rechten Zeit
Ist mehr wert, als alle Reiche dieser Erde!
Dunkel is das Leben, ist der Tod.
Das Firmament blaut ewig und die Erde
Wird lange fest stehen und aufblühn im Lenz.
Du aber, Mensch, wie lang lebst denn du?
Nicht hundert Jahre darfst du dich ergötzen
An all dem morschen Tande dieser Erde,
Seht dort hinab!
Im Mondschein auf den Gräbern hockt
eine wildgespenstische Gestalt – Ein Aff ist’s!
Hört ihr, wie sein Heulen hinausgellt
in den süßen Duft des Lebens!
Jetzt nehm den Wein! Jetzt ist es Zeit, Genossen!
Leert eure goldnen Becher zu Grund!
Dunkel ist das Leben, ist der Tod!
1. Drinking song of the sorrow of the earth
The wine already beckons from the golden goblet,
but don’t drink just yet – first, I’ll sing you a song!
The song of sorrow shall sound out
in laughter in your soul. When sorrow draws near,
the gardens of the soul lie wasted,
both joy and song wilt and die.
Dark is life, dark is death.
[Your cellar holds plenty of golden wine!]
Master of this house!
Your cellar holds plenty of golden wine!
Here, this lute shall be mine!
Strumming the lute and draining glasses,
those are the things that go well together.
A full goblet of wine at the right time
is worth more than all the riches of this world!
Dark is life, dark is death.
The firmament is forever blue, and the earth
Will remain for a long time and blossom in spring.
But you, Man/Woman, how long will you live?
Not even for a hundred years are you allowed to revel
in all the rotten trinkets of this earth!
Look down there!
In the moonlight, on the graves
crouches a wild, ghostly figure – It’s a monkey!
Listen how the sound of its howls pierce
the sweet fragrance of life!
Now take the wine! Now is the time, Comrades!
Drain your golden goblets to the bottom!
Dark is life, dark is death!
2. Der Einsame im Herbst
Herbstnebel wallen bläulich überm See;
Vom Reif bezogen stehen alle Gräser;
Man meint’, ein Künstler habe Staub vom Jade
Über die feinen Blüten ausgestreut.
Der süße Duft der Blumen is verflogen;
Ein kalter Wind beugt ihre Stengel nieder.
Bald werden die verwelkten, goldnen Blätter
Der Lotosblüten auf dem Wasser ziehn.
Mein Herz ist müde. Meine kleine Lampe
Erlosch mit Knistern;
es gemahnt mich an den Schlaf.
Ich komm zu dir, traute Ruhestätte!
Ja, gib mir Ruh, ich hab Erquickung not!
Ich weine viel in meinen Einsamkeiten.
Der Herbst in meinem Herzen währt zu lange.
Sonne der Liebe, willst du nie mehr scheinen,
Um meine bittern Tränen mild
aufzutrocknen?
2. The Lonely one in autumn
Blueish autumn mists hover over the lake;
white frost covers all grasses;
One would think an artist had strewn jade dust
over the delicate stems.
The sweet fragrance of the flowers has been blown away;
a cold wind bends their stems down.
Soon the withered golden petals
of lotus flowers will float by on the water.
My heart is weary. My little lamp
has gone out with a hiss;
reminding me of sleep.
I am coming to you, beloved resting place!
Yes, give me rest – I need to be refreshed!
I weep a lot in my loneliness.
The autumn in my heart has lasted too long.
Sun of love, will you never shine again,
to gently dry my bitter tears?
3. Von der Jugend
Mitten in dem kleinen Teiche
Steht ein Pavillon aus grünem
Und aus weißem Porzellan.
Wie der Rücken eines Tigers
Wölbt die Brücke sich aus Jade
Zu dem Pavillon hinüber.
In dem Häuschen sitzen Freunde,
Schön gekleidet, trinken, plaudern,
Manche schreiben Verse nieder.
Ihre seidnen Ärmel gleiten
Rückwärts, ihre seidnen Mützen
Hocken lustig tief im Nacken.
Auf des kleinen Teiches stiller
Wasserfläche zeigt sich alles
Wunderlich im Spiegelbilde.
Alles auf dem Kopfe stehend
In dem Pavillon aus grünem
Und aus weißem Porzellan;
Wie ein Halbmond steht die Brücke,
Umgekehrt der Bogen. Freunde,
Schön gekleidet, trinken, plaudern.
3. On youth
In the middle of the small lake
stands a pavilion made of green
and white porcelain.
Like a tiger’s back
the bridge of jade arches
across to the pavilion.
Friends sit in the little house,
beautifully dressed, drinking, chatting;
some are writing down verses.
Their silk sleeves glide
back, their silk caps
pushed jauntily back on their heads.
On the small lakes’ still
surface, all strange things are shown
as a mirror image.
Everything is turned on its head
in the pavilion made of green
and white porcelain.
Like a half-moon seems the bridge,
its arch inverted. Friends,
beautifully dressed, drinking, chatting.
4. Von der Schönheit
Junge Mädchen pflücken Blumen,
Pflücken Lotosblumen an dem Uferrande.
Zwischen Büschen und Blättern sitzen sie,
Sammeln Blüten in den Schoß und rufen
Sich einander Neckereien zu.
Goldne Sonne webt um die Gestalten,
Spiegelt sie im blanken Wasser wider.
Sonne spiegelt ihre schlanken Glieder,
Ihre süßen Augen wider,
Und der Zephyr hebt mit Schmeichelkosen das Gewebe
Ihrer Ärmel auf, führt den Zauber
Ihrer Wohlgerüche durch die Luft.
O sieh, was tummeln sich für schöne Knaben
Dort an dem Uferrand auf mut’gen Rossen,
Weithin glänzend wie die Sonnenstrahlen;
Schon zwischen dem Geäst der grünen Weiden
Trabt das jungfrische Volk einher!
Das Roß des einen wiehert fröhlich auf
Und scheut und saust dahin;
Über Blumen, Gräser, wanken hin die Hufe,
Sie zerstampfen jäh im Sturm die hingesunknen Blüten.
Hei! Wie flattern im Taumel seine Mähnen,
Dampfen heiß die Nüstern!
Goldne Sonne webt um die Gestalten,
Spiegelt sie im blanken Wasser wider.
Und die schönste von den Jungfraun sendet
Lange Blicke ihm der Sehnsucht nach.
Ihre stolze Haltung is nur Verstellung.
In dem Funkeln ihrer großen Augen,
In dem Dunkel ihres heißen Blicks
Schwingt klagend noch die Erregung ihres Herzens nach.
4. On beauty
Young girls pick flowers,
pick lotus flowers at the water’s edge.
They sit among bushes and leaves,
Gathering blossoms in their laps and calling
to one another teasingly.
Golden sunlight weaves around the figures,
mirroring them in the shiny water.
The sun reflects their slender limbs,
their sweet eyes,
and Zephyr lifts with flattering caresses
the fabric of their sleeves, carrying the magic
of their fragrances through the air.
O look, what handsome boys are gathering
there along the shore on their brave horses,
Shining far and bright like sunbeams;
Already among the branches of the green willows,
the fresh-faced youth are approaching!
The horse of one of them whinnies merrily,
and shies and dashes away;
over flowers, grasses, hooves are swinging,
crushing the fallen blossoms like a storm.
Ha! How its mane flutters in a frenzy,
How hot the steam is from its nostrils!
The golden sun weaves around the figures,
mirroring them in the shiny water.
And the most beautiful of the young women sends
long, yearning looks after him.
Her proud posture is only a pretense.
In the sparkle of her wide eyes,
in the darkness of her burning gaze,
the agitation of her heart still lingers on, lamenting.
5. Der Trunkene im Frühling
Wenn nur ein Traum das Dasein ist,
Warum denn Müh und Plag?
Ich trinke, bis ich nicht mehr kann,
Den ganzen, lieben Tag!
Und wenn ich nicht mehr trinken kann,
Weil Leib und Kehle voll,
So tauml’ ich hin vor meiner Tür
Und schlafe wundervoll!
Was hör ich beim Erwachen? Horch!
Ein Vogel singt im Baum.
Ich frag ihn, ob schon Frühling sei,
Mir ist als wie im Traum.
Der Vogel zwitschert: “Ja! Der Lenz
[Ist da,] sei kommen über Nacht!”
Aus tiefstem Schauen lauscht ich auf
Der Vogel singt und lacht!
Ich fülle mir den Becher neu
Und leer ihn bis zum Grund
Und singe, bis der Mond erglänzt
Am schwarzen Firmament!
Und wenn ich nicht mehr singen kann,
So schlaf ich wieder ein,
Was geht denn mich der Frühling an!?
Laßt mich betrunken sein!
5. The drunkard in Spring
If life is only a dream,
why then the toil and misery?
I drink until I can no more,
The whole day long!
And when I can drink no more,
because my body and soul are full,
I stagger to my doorway
and sleep wonderfully!
What do I hear when I awake? Listen!
A bird singing in the tree.
I ask him if it is spring yet,
I think I’m dreaming.
The bird twitters, “Yes! Spring
is here, it has come overnight!”
Roused from deep contemplation I listen
The bird sings and laughs!
I fill my goblet once again
and drain it to the bottom
and sing, until the moon shines out
from the pitch-black sky!
And when I can sing no longer,
I fall asleep again,
for what do I care about spring?
Let me be drunk!
6. Der Abschied
Die Sonne scheidet hinter dem Gebirge.
In alle Täler steigt der Abend nieder
Mit seinen Schatten, die voll Kühlung sind.
O sieh! Wie eine Silberbarke schwebt
Der Mond am blauen Himmelssee herauf.
Ich spüre eines feinen Windes Wehn
Hinter den dunklen Fichten!
Der Bach singt voller Wohllaut durch das Dunkel.
Die Blumen blassen im Dämmerschein.
Die Erde atmet voll von Ruh und Schlaf,
Alle Sehnsucht will nun träumen.
Die müden Menschen gehn heimwärts,
Um im Schlaf vergeßnes Glück
Und Jugend neu zu lernen!
Die Vögel hocken still in ihren Zweigen.
Die Welt schläft ein!
Es wehet kühl im Schatten meiner Fichten.
Ich stehe hier und harre meines Freundes;
Ich harre sein zum letzten Lebewohl.
Ich sehne mich, o Freund, an deiner Seite
Die Schönheit dieses Abends zu genießen.
Wo bleibst du? Du läßt mich lang allein!
Ich wandle auf und nieder mit meiner Laute
Auf Wegen, die vom weichen Grase schwellen.
O Schönheit! O ewigen Liebens - Lebenstrunkne Welt!
Er stieg vom Pferd und reichte ihm
Den Trunk des Abschieds dar.
Er fragte ihn, wohin er führe,
und auch warum es müsste sein.
Er sprach, seine Stimme war umflort:
Du, mein Freund,
Mir war auf dieser Welt das Glück nicht hold!
Wohin ich geh? Ich geh, ich wand’re in die Berge.
Ich suche Ruhe für mein einsames Herz.
Ich wandle nach der Heimat, meiner Stätte.
Ich werde niemals in die Ferne schweifen.
Still ist mein Herz und harret seiner Stunde!
Die liebe Erde allüberall
Blüht auf im Lenz und grünt aufs neu!
Allüberall und ewig blauen licht die Fernen!
Ewig… ewig…
6. The farewell
The sun vanishes behind the mountains.
Evening descends into all the valleys,
with its cool, refreshing shadows.
O look! Like a silver boat,
the moon floats up onto the sky’s blue lake.
I feel a fine wind blowing
behind the dark spruce!
The stream sings pleasantly through the darkness.
The flowers turn pale in the twilight.
The earth breathes, full of peace and sleep,
and all longing wants to dream now.
Weary people make their way home,
to learn again in their sleep
forgotten happiness and youth!
The birds perch silently on their branches.
The world is falling asleep!
A cool breeze blows in the shade of my spruce.
I stand here and wait for my friend;
I wait to bid him a last farewell.
O my friend, I long to enjoy
at your side the beauty of this evening.
Where are you? You leave me alone for so long!
I wander up and down with my lute,
on paths swelling with soft grass.
O beauty! O world, drunk with eternal love and life!
He climbed down from his horse and offered his friend the drink of farewell.
he asked him where he was heading, and why it had to be so.
He spoke - there was sadness in his voice:
You, my friend,
Fortune has not favoured me in this world!
Where am I going? I go away, I’ll walk into the mountains.
I seek peace for my lonely heart.
I walk towards my homeland, my abode.
I shall never wander far from there.
Quiet is my heart as it awaits its hour!
Everywhere the good earth
blossoms in spring and turns green once again!
Everywhere and forever, distant spaces shine their blue light!
Forever… forever…
Translation, Copyright Susanne Frank, 2009